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Glyphosat: Was bedeutet das Verbot für Landwirtschaft und Umwelt?

Ab Ende 2023 ist der Einsatz von Glyphosat in Deutschland verboten. © JuergenL - stock.adobe.com

Ab Ende 2023 ist der Einsatz von Glyphosat in Deutschland verboten.


Was ist Glyphosat eigentlich? Jeder spricht davon, doch eine Antwort darauf haben die wenigsten. Das 1950 synthetisierte und seit den 1970er Jahren massiv in der Landwirtschaft eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel gilt als hochwirksames und preiswertes Totalherbizid. Es ist eine geruchlose, nicht flüchtige, wasserlösliche Substanz, die als Säure oder Salz hergestellt wird. Die Wirkung als Totalherbizid beschränkt sich auf Pflanzen, die direkt mit dem Wirkstoff besprüht werden.

In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren allein in der Landwirtschaft jährlich rund 5.000 Tonnen und im Hausgartenbereich etwa 90 Tonnen Glyphosat angewandt. Sein Anteil an allen verkauften Pflanzenschutzmitteln beträgt zumindest 30 Prozent. So ist Glyphosat zum Beispiel Wirkstoff des häufig eingesetzten Pflanzenschutzmittels „Roundup“. Es vernichtet „Unkräuter“ und Konkurrenzpflanzen auf Feldern mit Mais, Raps, Zuckerrübe und anderen Nutzpflanzen. Neben dem US-Konzern Monsanto wird das Mittel seit Auslaufen des Patents im Jahr 2000 nun von über 90 weiteren Herstellern vertrieben. Der größte Erzeuger ist derzeit die Volksrepublik China mit etwa 40 Prozent der weltweit erzeugten 700.000 Tonnen.

Glyphosat erhöht das Krebsrisiko?

Im Jahre 2015 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen ein. Demgegenüber fanden jedoch einige europäische – aus Deutschland EFSA, ECHA und BfR – sowie Behörden in den USA, Kanada, Australien, Japan und Neuseeland keine ausreichenden Hinweise auf ein Krebsrisiko für den Menschen.

Ebenso wird kein erbgutschädigendes Risiko gesehen und Glyphosat ist auch kein Nervengift. Lebensmittel, Trinkwasser und Futtermittel werden routinemäßig auf Glyphosat und sein Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA) untersucht. Im Untersuchungszeitraum (2012 – 2016) wurde in Österreich bei keiner Lebensmittelprobe der gesetzliche Rückstandshöchstgehalt überschritten. In Trinkwasser und Futtermitteln fanden sich überhaupt keine Rückstände (AGES, 2017). Unabhängig davon existieren jedoch Bedenken von Umweltbundesämtern, dass aufgrund der Vernichtung von Kräutern und Gräsern auf und um Ackerflächen ein Verlust der Lebensgrundlage für Insekten und Vogelarten einhergeht. Obwohl das direkte Risiko für die Tierwelt gering ist, hat jeder massive und großflächige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stets indirekte Effekte auf das Ökosystem und die biologische Vielfalt.

Wie wirkt Glyphosat?

Ackerrand-Fasan-gespritzt © Dr. Armin Deutz

1 Glyphosat dient dazu, die Ackerhygiene sicherzustellen.


Glyphosat wirkt ausschließlich auf grüne Pflanzenteile und nicht über die Wurzeln. In den Pflanzen wird durch die Ähnlichkeit mit einem pflanzeneigenen Inhaltsstoff der Aufbau von für die Pflanzen essenziellen Aminosäuren blockiert, was zu deren Absterben führt. Es ist das einzige Herbizid mit diesem Wirkmechanismus. Da Glyphosat nur auf grüne Pflanzenteile wirkt, kann es auf Felder zugleich mit der frischen Saat oder bis zu fünf Tage nach der Aussaat ausgebracht werden, um Unkräuter und Konkurrenzpflanzen zu bekämpfen. Eine weitere Möglichkeit ist zwischen der Ernte der Winter- und der Aussaat der Sommerfrucht oder seltener (in einigen Ländern verboten) bis maximal sieben Tage vor der Ernte zur Abreifebeschleunigung. Nach unterschiedlichen Quellen werden 30 bis 40 Prozent des deutschen Ackerlandes mit Glyphosat behandelt, bei der pfluglosen Bodenbearbeitung wird es meist standardmäßig eingesetzt. Auch im Wein- oder Obstbau wird es anstelle der arbeitsintensiven mechanischen Bodenbearbeitung zum Freihalten der Baumscheiben verwendet. Es wirkt nicht selektiv, das heißt, es sterben alle damit behandelten Pflanzen ab. Ausnahmen sind einige „Superunkräuter“, die mittlerweile resistent geworden sind, sowie gentechnisch veränderte Pflanzen, denen Resistenz angezüchtet wurde. Verglichen mit anderen Herbiziden hat Glyphosat eine recht kurze Halbwertzeit in der Umwelt (rund 14 Tage), eine geringe Mobilität im Boden (starke Bindung an Bodenmineralien und damit geringe Auswaschung) und eine niedrige Toxizität gegenüber Tieren, was eigentlich für landwirtschaftlich verwendete Pflanzenschutzmittel wünschenswerte Eigenschaften wären.

Bei Betrachtung der insgesamt ausgebrachten Mengen ist aber davon auszugehen, dass ökologische Folgen damit verbunden sind. Jedenfalls führt ein massiver Einsatz zu einer Verarmung der Pflanzenwelt mit entsprechenden Folgen für Insekten, Vögel und Säugetiere. Nicht gänzlich ausgeschlossen sind auch Wirkungen auf Mikroorganismen im Boden, Regenwürmer und Wasserökosysteme. Zudem geht es beim Thema Glyphosat nicht nur um diesen Wirkstoff selbst, sondern um diverse Beistoffe in Glyphosat-Produkten (wie z.B. Tallowamin), von denen größere Toxizität und Nebenwirkungen zu erwarten sind. Wegen der geringen Flüchtigkeit ist eine Verdampfung nicht zu befürchten, sehr wohl aber eine Verdriftung beim Ausbringen. Gegen die Verdriftung gibt es beispielsweise in der Schweiz Vorschriften, dass Glyphosat drei Meter um Feldrandhecken und Waldränder, drei bis sechs Meter um Oberflächengewässer, auf Terrassen und Dächern, an Wegen und Straßen sowie an Böschungen und Grünstreifen nicht angewendet werden darf.

Verzicht auf Glyphosat hat weitreichende Auswirkungen

Ohne Ersatzmittel muss man dabei mit dem jetzt beschlossenen Verbot aber aufpassen, da ein Bruch mit der derzeit geübten landwirtschaftlichen Praxis bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen nur schwer möglich scheint. Ein Ausstieg aus einem Masseneinsatz von Agrochemikalien ist nur bei einer vollkommenen Umstellung der derzeitigen intensiven Bewirtschaftungsweise hin zu alternativen, meist teureren und arbeitsaufwändigeren Bewirtschaftungsformen in kleineren Einheiten möglich. Sonst wäre mit Ertragseinbußen und weiterer Ausweitung der Anbaugebiete beziehungsweise Importen zu rechnen. Dies würde sich aber im Preis der Agrarprodukte niederschlagen. Zu diskutieren sind zudem die Sinnhaftigkeit, der ökologische Wert und die ethische Dimension der Biogaserzeugung aus Mais und Getreide. Allein in Deutschland ist die Maisanbaufläche von 2000 bis 2014 um eine Million Hektar auf 2,5 Millionen gestiegen! Dass die Problematik nicht neu ist, beweist ein Zitat des Naturschutzpioniers Wilhelm Wetekamp aus dem Jahr 1898: „Der zivilisierte Teil der Menschheit wird mit Schaudern der Monotonie gewahr werden, welche sie nicht nur bedroht, sondern bei welcher sie schon jetzt angelangt ist. Roggen, Weizen, Gerste, Hafer – der Abwechslung zuliebe auch umgekehrt Hafer, Gerste, Weizen, Roggen – das wäre die Flora der Zukunft.“

Wiesen, Weiden und Äcker sind gefährdete Lebensraumtypen

Die in Mitteleuropa gefährdetsten Lebensraumtypen sind Wiesen, Weiden und Äcker, also agrarisch genutztes Land. Allein in Österreich sind in den vergangenen 50 Jahren beinahe 400.000 Hektar Grünland aufgegeben oder aufgeforstet worden. Weitere 200.000 Hektar wurden verbaut oder anderweitig versiegelt. Durch diese Veränderung der Lebensräume werden nicht nur Areale für viele Arten enger, auch die Anzahl vieler Pflanzen- und Tierarten verkleinert sich.

Widersprüchliches Verhalten bei Konsumenten

Ackerrand-Mohnblume © Dr. Armin Deutz

2 Durch Flurbereinigung und Glyphosateinsatz verschwinden solche Acker- und Wegrandstreifen weitgehend – mit unausweichlichen Folgen nicht nur für das Niederwild, sondern auch für Insekten und Vögel.


Auch die Grünlandbewirtschaftung, in der zumindest Punktbehandlungen mit Glyphosat erfolgen (z.B. Ampferbekämpfung), hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten stark intensiviert (häufigere Schnittnutzungen, Kraftfuttereinsatz, massive Gülleausbringung). Wenn vor 40 Jahren auf einer Wiese noch zumindest 20 bis 30 Pflanzenarten vorgekommen sind, so sind es heute auf denselben Flächen oft nur mehr drei bis vier Futterpflanzen (Grabherr, 2013) – mit allen Konsequenzen für die auf solche Arten angewiesenen Tiere. Die Folgen sind derzeit erst ansatzweise erfassbar. Blumenwiesen zu verlangen und dennoch einen Liter Milch um 70 bis 80 Cent kaufen zu wollen, ist und bleibt ein widersprüchliches Verhalten der Konsumenten.

Kommen wir zum Energiemais zurück: Auch dieser muss gesät, mit Herbiziden (wie Glyphosat) behandelt, geerntet und in Biogasanlagen transportiert werden, was schon einiges auch an fossiler Energie kostet. Nach starkem Rückgang des Ökostromzuschlages (aus Steuermitteln) in Österreich schlitterten zahlreiche Betreiber von Biogasanlagen in Konkurs oder sperrten die Anlagen, nicht zuletzt auch wegen steigender Pacht- und Getreidepreise, zu. Ähnlich ergeht es Betreibern von Kleinwasserkraftanlagen, die nicht immer so ökologisch vorteilhaft sind, wenn man sich die geringen Restwassermengen in den Bächen mit ihren Folgen für das Wasserökosystem im Winter genauer betrachtet. Erschreckend ist auch ein österreichisches Beispiel zum Thema Brot. In Wien (1,8 Mio. Einwohner) wird täglich so viel Brot und Gebäck entsorgt, wie in Graz (280.000 Einwohner) pro Tag verzehrt wird. Wir sind es mittlerweile gewohnt und fordern es geradezu, dass noch knapp vor Geschäftsschluss sämtliche Brotsorten oder diverses Gebäck erhältlich sind – der Rest, und damit Unmengen an Brotgetreide wird (mit damit unnötig eingesetztem Glyphosat) entsorgt!

Der Verbraucher bestimmt den Weg

Zum Abschluss noch mal zum Glyphosat: Ohne einerseits Energie zu sparen und andererseits als Konsument bereit zu sein, für Landwirtschaftsprodukte tiefer in die Tasche zu greifen, wird der Mensch den Lebensraum, noch dazu vor dem Hintergrund des Klimawandels, in den nächsten Jahrzehnten rasant und markant ändern. Der Austausch von Glyphosat gegen ein anderes (Total-)Herbizid reicht nicht aus, um eine ökologische Kehrtwende zu schaffen. Wir Jäger sind hautnah am Geschehen und erkennen die Symptome. Wir sehen sowohl den Rückgang von Hasen, Fasanen und Rebhühnern als auch den Schwund an Vögeln und Insekten. Vielleicht tun wir das etwas früher als der Großteil unserer Mitmenschen. Es ist gesellschaftlich leicht und politisch opportun, ein Glyphosat-Verbot oder den Verzicht zu fordern. Nur muss man dann auch einen Schritt weiter denken, denn allein der Austausch von Chemikalien gegen andere ist zu wenig .

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