Das neue Landesjagdgesetz
Elterntierschutz: Ministerium gibt Fehler bei Jagdgesetz zu
Eine Passage aus dem Entwurf des neuen Jagdgesetzes in Rheinland-Pfalz sorgte in den vergangenen Tagen für Entsetzen in der Jägerschaft. Stand doch dort geschrieben, dass Frischlinge mit „Vorhandensein von Streifen im Haarkleid...nicht mehr auf die Muttermilch angewiesen“ sind. Demnach hätte der Elterntierschutz bereits direkt nach dem Frischen nicht mehr beim Schwarzwild gegolten.
Fehler im Jagdgesetz
Auf Nachfrage beim zuständigen Ministerium, warum man bei gestreiften Frischlingen keine Abhängigkeit mehr zur Mutter sieht, heißt es, dass es sich bei der Passage um ein „redaktionelles Versehen im Begründungstext zum Regierungsentwurf des Landesjagdgesetzes“ handelt. „Die fehlerhafte Wortwahl ist durch eine Überarbeitung des Satzes, der die Zeit der Abhängigkeit der Frischlinge von Muttermilch mit dem Vorhandensein von Streifen im Haarkleid in Zusammenhang bringen wollte, entstanden“, so ein Ministeriumssprecher gegenüber der Redaktion. Muttertiere mit gestreiften Frischlingen seien „selbstverständlich mit der Jagd zu verschonen“.
Jagdgesetz: Wie sieht es mit dem übrigen Schalenwild aus?
Anders sieht es bei dem Satz „Gleiches gilt für das übrige Schalenwild ab November“ aus. Das Ministerium teilte mit, dass der Satz die Abhängigkeit der Jungtiere von der Muttermilch thematisiert, „welche ab dem späten Herbst für das übrige Schalenwild regelmäßig nicht mehr gegeben ist.“ Wie es mit dem Aspekt der Führung durch das Elterntier aussieht, bleibt weiterhin unklar.
Jäger warnen vor genetischer Verarmung des Rotwilds
Vor einer weiteren genetischen Verarmung des heimischen Rotwilds haben die Jagdverbände Hessen und Bayern gewarnt. Auf einer Fachtagung in Bad Orb im Spessart wurde am Samstag über ein kaum lauffähiges Rotwildkalb diskutiert, das Anfang Juni von Jägern im Gebiet Kellerwald-Burgwald gefunden und getötet worden war. Das stark missgebildete Tier litt den Angaben zufolge an Defektgenen seiner eng verwandten Elterntiere und war ohne Hufschalen geboren worden. Zuvor waren bereits bei anderen Tieren verkürzte Unterkiefer als Folge der Inzucht innerhalb kleiner Bestände registriert worden.
Die Jäger machen die zunehmende Eingrenzung der Lebensräume und falsche Abschussvorgaben des Landes für die fortschreitende genetische Verarmung der Wildtiere verantwortlich. Die Abschussvorgaben machten die natürliche Wanderung der Tiere und damit den genetischen Austausch nahezu unmöglich. Es brauche mehr Landschaftsbrücken über die Autobahnen und ein Schonung junger wandernder Hirsche. Es gelte, kleinere Rotwildgebiete wieder miteinander zu vernetzen, teilten die Verbände mit.
«Das nun erlöste Jungtier bildet die traurige Spitze der genetischen Verarmung unseres heimischen Rotwildes» erklärte der hessische Jagdpräsident Jürgen Ellenberger. Es sei absolut unverständlich, dass sich das grün geführte Umweltministerium in Hessen einer Wiedervernetzung durch Abschussvorgaben in den Weg stelle und den Bau von Grünbrücken an den neuralgischen Punkten nicht entschlossener vorantreibe.
Neues Jagdgesetz: Bald kein Elterntierschutz mehr?
In Rheinland-Pfalz wurde kürzlich ein Entwurf für ein neues Jagdgesetz vorgestellt. Viele Punkte sorgten für Unmut in der Jägerschaft. Doch besonders eine geplante Änderung widerspricht jeglicher Waidgerechtigkeit und würde gegen das Tierschutzgesetz verstoßen.
So heißt es anfangs noch: „Darüber hinaus wird insoweit eine Erweiterung der bestehenden Regelung zum Elterntierschutz vorgenommen, als dass der Elterntierschutz für Haarwild auch nach dem Ende der Setzzeit entsprechend weitergilt, soweit die Jungtiere auf die Führung des Elterntieres und auf eine Nahrungsversorgung mit Muttermilch angewiesen sind.“ Doch direkt danach kommt der erste Hammer: „Frischlinge gelten mit dem Vorhandensein von Streifen im Haarkleid als nicht mehr auf die Muttermilch angewiesen.“ Ab Geburt sind, nach Ansicht des grünen Ministeriums, die gestreiften Frischlinge also nicht mehr auf die Muttermilch angewiesen. Theoretisch könnte demnach eine Bache noch im Kessel straffrei erlegt werden.
Jagdgesetz: Alttiere dürften ab 1. November geschossen werden
Auch beim übrigen Haarwild will das Ministerium eine Neuregelung einführen. Es heißt weiter: „Gleiches gilt für das übrige Schalenwild ab November.“ Demnach dürfte man rein rechtlich ab 1. November Alttiere erlegen. Ein Widerspruch zur Einleitung, denn es ist wildbiologisch bekannt, dass Rotwildkälber auch nach dem 1. November noch von der Führung des Alttiers abhängig sind.
Flüchtigkeitsfehler oder Unkenntnis beim Jagdgesetz-Entwurf?
Ist dem Ministerium hier ein schwerwiegender Flüchtigkeitsfehler unterlaufen? Fehlt es dort an jeglichem wildbiologischen Verständnis und ist den Mitarbeiterin bekannt, dass Frischlinge gestreift auf die Welt kommen und die Bindung von Alttier und Kalb beim Rotwild nicht am 1. November endet?
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PRESSEMELDUNG
Das neue Landesjagdgesetz provoziert einen Warnstreik der Jägerschaft
Vom Landesjagdverband Rheinland-Pfalz kommt scharfe Kritik zum Entwurf des neuen Jagdgesetzes. Trotz positiver Umsetzung einiger Anliegen des Verbandes, wurden die durch den Verband im Vorfeld kommunizierten roten Linien mehrfach überschritten. Deswegen ruft der Verband seine 20.000 Mitglieder zu einem sofortigen Warnstreik auf. Ab sofort entsorgen die Jägerinnen und Jäger in Rheinland-Pfalz kein Unfallwild mehr.
Gensingen 05.07.2023 – „Inakzeptabel.“ Mit dieser klaren Aussage äußert sich der Präsident des Verbandes Dieter Mahr zu dem am Dienstag vorgestellten Entwurf. „Wir haben im Vorfeld der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs deutlich gemacht, dass es dunkelrote Linien für uns und unsere Mitglieder gibt, die seitens der verantwortlichen Abteilung im Ministerium nicht überschritten werden dürfen. Das hat man leider nicht ernst genommen“, so Mahr.
Untragbar sind in diesem Zusammenhang aus Sicht des Verbandes vor allem die deutlichen Einschränkungen des bewährten Reviersystems. Zukünftig sollen Grundstückseigentümer neben dem Jagdpächter jagen dürfen. „In einer Mietwohnung sitzt auch nicht der Vermieter mit am Küchentisch. Dieser und andere Vorschläge werden dazu führen, dass Jagdreviere zum Nachteil der Landwirtschaft unverpachtbar werden“, so Mahr. Außerdem besteht der Verband darauf, dass es nach wie vor einen auch von der Jägerschaft direkt gewählten Kreisjagdmeister geben muss. Auf dieses bewährte Prinzip direkter Demokratie darf nicht verzichtet werden. Völlig inakzeptabel ist mithin die Festsetzung von scharfen Sanktionen, die den privaten ehrenamtlichen Jägern drohen, wenn die „im allgemeinen Interesse liegenden Wirkungen des Waldes“ aus Sicht der Forstbehörden gefährdet sind. Denn die Interessen des Forstes decken sich nicht immer mit den Interessen von Artenschutz und Tierwohl.
Im Entwurf der Gesetzesvorlage finden sich einige weitere Passagen, die die Jägerschaft auf keinen Fall mittragen wird.
Die fast 20.000 Jägerinnen und Jäger, die sich im Landesjagdverband organisieren, arbeiten ehrenamtlich mit großem Zeiteinsatz und Engagement. Die Vielschichtigkeit der Aufgaben hat zu engmaschigen Strukturen geführt, die in bester Zusammenarbeit mit den Jagdbehörden und den Kommunen alle Interessen in Wald und Feld berücksichtigen. Dies sieht der LJV nun gefährdet: „Wer die Jägerschaft nur noch als Erfüllungsgehilfen zur Erreichung politischer und ökonomischer Ziele betrachtet, riskiert, dass die Jägerschaft ihr freiwilliges Engagement einstellt“, warnt Mahr. Frappierend ist in diesem Zusammenhang, dass die Jäger zu bisher freiwillig erbrachten Leistungen gesetzlich verpflichtet werden sollen, so im Bereich der Kitzrettung und des Wildmonitorings. Dieter Mahr hierzu: „Wir warten gespannt darauf, wer außerhalb des Jagdwesens als nächstes dienstverpflichtet wird. So kann man mit den Jägerinnen und Jägern, die sich seit Jahrzehnten in vielen Dingen ehrenamtlich engagieren, nicht umgehen.“
Der Verband sieht sich und die Expertise seiner Mitglieder mit Füßen getreten. „Wer meint, er könne die großen Aufgaben in Feld und Flur durch Entscheidungen über die Köpfe der privaten Jägerschaft hinweg erfüllen, der muss auch die Frage beantworten: Wer macht’s, wenn nicht wir!?“ Um diesem Thema Nachdruck zu verleihen, hat der Verband seine Mitglieder dazu aufgerufen, ab sofort landesweit die Entsorgung von Fall- und Unfallwild einzustellen.
Die Entsorgung von toten Wildtieren im Straßengraben wird in weiten Teilen des Landes von der Jägerschaft erledigt, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Verpflichtung gibt. „Wir leisten das freiwillig, so wie auch viele weitere unserer Leistungen für die Grundstückseigentümer und die Gesellschaft freiwillig und ohne Entlohnung erfolgen“, betont Mahr. Der Warnstreik ist zeitlich zunächst bis zum 31. August 2023 befristet und betrifft ausdrücklich nicht die Erlegung von verletzten Wildtieren, das gebietet der Tierschutz. Nur für die Kadaverbeseitigung stehe man nicht mehr zur Verfügung, so der LJV-Präsident. Der Verband weist darauf hin, dass in Rheinland-Pfalz für Jedermann eine Verpflichtung besteht, tote Wildtiere u.a. bei der nächsten Gemeindeverwaltung bzw. Forst- oder Polizeidienststelle anzuzeigen. Bei Nichtbeachtung drohen Bußgelder. Der Verband bittet die Bevölkerung darum, den Meldepflichten nachzukommen, damit die Kadaver von den gesetzlich zuständigen Stellen beseitigt werden können.
„Zu diesem Schritt sind wir leider gezwungen, um uns Gehör zu verschaffen. Wir sind aber weiterhin zu einem konstruktiven Dialog bereit, um gemeinsam für Wald und Flur im Einklang mit dem Wild und der Natur zu einer sinnvollen Weiterentwicklung des Gesetzes zu kommen. Denn wir nehmen sehr wohl positiv zur Kenntnis, dass einige unserer langjährigen Forderungen integriert wurden, wie die Aufhebung der Bewirtschaftungsbezirke für Rotwild, die Beibehaltung der Grundsätze von Hege und Waidgerechtigkeit sowie die Ansätze zur Digitalisierung des – Stichwort Wildtierportal. Insgesamt ist es jedoch ein Schlag ins Gesicht der gesamten Jägerschaft. Das werden wir uns nicht kampflos gefallen lassen!“, fasst Mahr die Gemütslage der Mitglieder des Landesjagdverbandes zusammen.